Kopfhörerverstärker

Aus Markus Steinhoff
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Der fertige Prototyp

Ein uraltes Thema, das mit einem Elektor-Heft irgendwann in den 80ern begann. Dort war ein Class-A-Kopfhörerverstärker beschrieben, den ich auch begonnen habe. Mittlerweile sind die Anforderungen anders, ein kleines Projekt ist mir das Thema noch immer Wert.

Was also sollte ein Kopfhörerverstärker heute können?

  • Hohe Leistung (mehr als die Standard-Buchsen an Handy und PC)
  • Gute Qualität
  • Retro-Design (bitte kein hochintegrierter Baustein mit 0 peripheren Bauteilen, OPs erlaubt ;-))
  • Versorgung aus einfacher Gleichspannung, ideal per USB
  • schmuckes (Metall)-Gehäuse
  • Ein-/Aus-Schalter, Lautstärkeregler

Erste Gehversuche

Ich hatte noch ein Grundlayout im Kopf, das für die Vorstufe einen OP verwendet und als Stromtreiber ein BD139/140-Pärchen. Im Netz sind einige Beispiele zu finden, allerdings gefiel mit keines so richtig. Also habe ich ausgehend von meinen Anforderungen und meinem Teilesortiment die Schaltung grob auf dem Breadboard aufgebaut. Das funktionierte auf Anhieb, allerdings verzerrte der Verstärker schon bei geringen Pegeln. Also schnell die Schaltung simuliert, die Ursachen für die Verzerrungen waren neben einer etwas hohen Gesamtverstärkung die zu großen Basiswiderständer der Stromtreiber. Also habe ich die Widerstände angepasst und die Simulation lieferte schöne Sinuskurven. Die Schaltung auf dem Breadboard war schnell angepasst und hoppla, der Verstärker performt richtig! Die angestrebte Leistung von 1W bei Lautsprecherbetrieb wird locker erzielt, mit deutlich Luft nach oben, mein Test-Lautsprecher strich die Segel, daher habe ich noch eine Testlauf mit meinem Center-Speaker aus der Heimkinoanlage gemacht: erstaunlich, deutlich über Zimmerlautstärke ohne wahrnehmbare Verzerrungen. Der TBA820-Verstärker ist hier deutlich unterlegen. Der Test mit einem Sennheiser PX100 ergab viel zu viel Pegel, hier feht noch ein Serienwiderstand.

Erkenntnisse aus dem Testbetrieb

Nach und nach fallen mir noch weitere Unzulänglichkeiten auf. Die Ruhestromeinstellung mit dem Dioden ist nicht befriedigend, bei vier 1N4007 ist er deutlich zu hoch (>100 mA) und bei zweien kaum vorhanden. Die Variante mit drei Dioden passt noch am besten, ich entscheide mich aber für einen NPN-Transistor mit 1k-Trimmer, mit dessen Hilfe nun der Ruhestrom leicht einstellbar ist und sogar noch angepasst werden kann. Ich veranschlage 30-50 mA, das sollte für einen Klasse-A-Betrieb bei hochohmigen Kopfhörern dicke ausreichen.

Dann vielen mir, je nach Last und Aussteuerung auftretende, Verzerrungen auf, die ihre Ursache in Schwingungsphänomenen hatten. Mit einem einzelnen 1uF-Elko an der positiven Versorgung war schon Ruhe, in der folgenden Schaltungsversion V3 sind Kondensatoren gegen Störungen an den üblichen Stellen eingeplant. Da die Schaltung bisher nur simuliert ist, können noch Änderungen anfallen. Das führt mich zur neuen Schaltung, die vom Grundlayout unverändert ist, aber erste Erfahrungen im Testbetrieb wie auch bei der erweiterten Simulation berücksichtigt.

Schaltplan V3

Schaltungsbeschreibung für Version V3

  • C6: blockt Gleichspannungen ab
  • R1/R11: legen die Eingangsimpedanz auf 15KOhm fest und entsprechen R2/R3 für guten Gleichlauf der OP-Eingänge
  • C15: schließt HF am Eingang gegen Masse kurz
  • C14: korrigiert den Frequenzgang am oberen Ende durch leichte Anhebung
  • C2/C3: Blockt Störungen in der Betriebspannung vom OP ab
  • T3/R10: Ruhestomeinstellung
  • R8/R9: Vorspannungsnetzwerk
  • T1/T2: (Strom-) Endstufe
  • R7/R6: Emitterwiderstände für T1/T2 dienen der Stabilisierung durch Stromgegenkopplung
  • R2/R3: Gegenkopplungsnetzwerk (A=15), sorgt für die Eingangsempfindilichkeit von etwa 775mV
  • R12: Anpassung für niedrige Kopfhörerimpedanzen und Kurzschlußschutz
  • C4/C5: Entkoppelelkos (Teil des Netzteils)

Überlegungen zum Netzteil

Da der Verstärker eine symmetrische Versorgung von 2x15V benötigt, fallen Schaltnetzteile aus der Wühlkiste aus. Also werde ich ein klassisches Layout wählen, mit Trafo, Gleichrichter und integrierten Spannungsreglern.

Grobe Abschätzung der Trafowerte: Die Schaltung benötigt eine Spannung von 2x15V, ich rechne nur mit einem Zweig weiter. Also 15V + 2V Spannungsabfall am Regler und 1,4V für die Gleichrichtung (Mittelpunktschaltung) macht zusammen 18,4V Uamin. Die notwendige Ausgangsspannung Ua = Uamin + 2/3 UBr, also 18,4 + 2V = 20,4V, wobei ich eine Brummspannung von 3V annehme. Da bei den Trafos der Effektivwert der Spannung angegeben wird, müssen wir noch Ua*1/SQRT2 rechnen, dabei kommen dann 14,4V heraus. Damit ist ein Trafo mit 15V-Wicklungen die richtige Wahl. Für den Laststom habe ich den Testläufen eine Grenze von ca. 200mA ermittelt, größtenteils darunter, wir bei Audioverstärkern üblich. Mit dem üblichen Aufschlagsfaktor von 1,4-2,0 muss der Trafo 280-400mA liefern für zwei Kanäle also 560-800mA. Damit sind wir schon in der 20-25W Klasse angelangt. Ein geeigneter Kandidat ist der 25VA Ringkern-Printtrafo.

Da ich noch einen 2x12V-Ringkern in der Kiste liegen habe, werde ich den Aufbau ohne Spannungsregler testen. Eigentlich ist eine hochstabile Spannung für den Betrieb der Endstufe gar nicht notwendig, die Regler stören eher. Denn bei hohen Stromimpulsen spricht die Strombegrenzung der 78er-Serie viel zu schnell an und begrenzt so die Impulsleistung der Endstufe. Daher werde ich einen anderen Trafo verwenden: Ringkerntrafo 12V/1,25A (Sicherung Prim. 250mA Sek. 1,25A) für Einlochmontage. Der Testtrafo stammt aus der gleichen Serie, er ist Mucksmäuschen still und erwärmt sich nicht wahrnehmbar, daher gehe ich von dem Printtrafo weg, die Platine ist eh voll ;-)

Testaufbau, die 2te

Mit der V3-Schaltungsversion ging es wieder ans Breadboard. Ich habe die Schaltung exakt umgesetzt, mit allen Cs und auch mit Netzteil (siehe V4). Die kleinen Wehwehchen sind weg, es schwingt nichts mehr und die Endstufe übersteuert wesentlich gutmütiger. Dabei werden einzelne Impuls verzerrt, der Rest des Musiksignals bleibt davon weitgehend unbeeinflusst. Die V2 ging dann in unterschiedlichen Schwingungen unter. Natürlich brummte der Testaufbau auf Anhieb. Masseschleifen gab es keine, darauf hatte ich penibel geachtet, aber der zentrale Massepunkt war falsch gelegt: Im Netzteil an den Siebelkos. Das führte dazu, das der Ladestrom vom Gleichrichter durch den Massepunkt zu den Elkos floss, was theoretisch funktioniert, aber in der Praxis Spannungsabfälle verursacht, die dann schön mitverstärkt werden. Also habe ich den Massepunkt an den Eingang verlegt, wo er nach der reinen Lehre hingehört (aber die Kroko-Klemmen schlechter anzubringen sind) und der Spuk war vorbei. Totenstille mit ungeregelten Netzteil(!). Bei diesem Testaufbau habe ich auch den Regeltransistor für den Ruhestrom thermisch mit dem Kühlkörper verbunden, der Ruhestrom bleibt so schön stabil und läuft nicht mehr weg, wenn es wärmer wird. Da ich den Testaufbau mit einem 4Ohm-Lautsprecher betreibe, wird es manchmal schon etwas wärmer in der Endstufe. Damit steht als nächstes der Prototyp auf einer Lochrasterplatine an.

Meßwerte

  • Vcc, unbelastet: 34,2 V
  • Vcc, belastet: 33,4 V
  • Leistungsaufnahme (Netz): 2,7 W im Leerlauf
  • Leistungsaufnahme (Netz): 8 W max.
  • URT1e: 110mV (Spannungsabfall am Emmiterwiderstand von T1, entspricht 50 mA Ruhestrom)
  • Ausgangsspannung V Spitze-Spitze an 30 Ohm Last: 18V entspricht 2,7W Spitzenleistung und 1,9W Sinusleistung (ohne Ausgangswiderstand)
  • mit 10 Ohm am Ausgang (reicht als Kurzschlußschutz, nicht für Dauerkurzschluß!) kommt der Amp immer noch auf 1W
  • mit 27 Ohm (Dauerkurzschlußfest) landen wir bei 500mW

Prototyp

Ich habe die Schaltung auf eine Punkt-Lochraster-Platine im Euro-Format (160x100) aufgebaut. Hier ist neben den Endstufen auch das Netzteil ohne Trafo und der Kühlkörper untergebracht. Bei Letzterem handelt es sich um einen passenden Typ für das Euroformat, der von Größe und Befestigungsmöglichkeiten gut abgestimmt ist. Er hat "Langgewinde" für die Befestigung auf der Platine und Montage der Transistoren.

Die Schaltung entspricht der letztsimulierten V3, das Netzteil ist schon für die Versorgung der Schutzschaltung vorbereitet. Der Testaufbau zeigt merklich bessere Performance, die Lötverbindungen zahlen sich gegenüber den Steckverbindungen des Breadboards aus.

Ich habe eine ganze Reihe von Tests durchgeführt, neben den Tests mit Lautsprecher auch ausführlich mit Kopfhörer und 27 Ohm Serienwiderstand, natürlich im Stereobetrieb. Die Ausgangsleistung überfordert jeden bisher getesteten Kopfhörer, allerdings sind auch die Ohren an ihrer Leistungsgrenze. Aber das war ja erklärtes Ziel. Neben den Hörtests wurden auch ein Fehlerfall durchgespielt, der Kurzschluß an Ausgang. Mit den 27 Ohm Serienwiderstand und Kurzschluß läuft der Verstärker dauerhaft ohne Probleme, bei geringerem Ausgangswiderstand 4,7 Ohm sind ein paar Minuten kein Problem, länger wollte ich nicht testen, der Kühlkörper heizt sich dabei kräftig auf.

Eine weitere Erkenntnis wurde bei den Tests mit dem 27 Ohm Serienwiderstand gewonnen, der Trafo ist in diesem Fall überdimensioniert. Aus diesem Grund wurde ein 16VA-Platinentrafo besorgt, der bei einem weiteren Prototyp zum Einsatz kommen soll. Der Kühlkörper wird ebenfalls verkleinert, damit findet der Trafo sogar auf der Europlatine Platz.

Schutzschaltung

Nachdem die Tests des reinen Verstärkers erfolgreich waren, ging es daran, den letzten Part des Projektes umzusetzen. Ich hatte parallel schon eine Lautsprecher-Einschaltverzögerung simuliert und diese um eine DC-Schutzschaltung erweitert. Damit sind im Falle eines Bauteildefekts die angeschlossenen Lautsprecher oder Kopfhörer geschützt.

Nach Einschalten des Verstärkers, wird der Kopfhörer über ein Relais erst einige Sekunden verzögert an den Verstärkerausgang gelegt. So können sich die Betriebsspannungen stabilisieren, bevor der Verbraucher angeschlossen ist. Die Verzögerung wird mittels Kondensator (Elko) realisiert, der über einen Vorwiderstand aufgeladen wird. In der Basiszuleitung des Schalttransistors ist eine Z-Diode eingefügt, die ab ca 9,5V Elkospannung den Transistor durchsteuert und damit das Relais einschaltet. Wird der Verstärker nun wieder ausgeschaltet, trennt das Relais sofort die Verbindung zum Kopfhörer, da dieser Schaltungsteil aus einem eigenen Mini-Netzteil versorgt wird, dessen kleiner Elko sehr schnell entladen wird.

Während des Betriebs ist die Schutzschaltung aktiv, die vereinfacht gesagt aus einem RC-Tiefpass und einem Schalttransistor besteht. Steigt die Spannung am (bipolaren) Elko auf ca. 0,7V an, schaltet der Transistor durch und entlädt den Ladeelko der Verzögerungsschaltung. Jetzt sinkt die Spannung am Ladeelko unter 9,5V und der Schalttransistor für das Relais sperrt. Im folgenden schaltet das Relais aus und der Kopfhörer wird von Verstärker getrennt. Diese Beschreibung gilt für eine positive Gleichspannung, ein zweiter Transistor überwacht das anliegen einer negativen Gleichspannung, dieser ist mit der Basis an Masse und mit seinem Emitter hinter dem RC-Filter angeschlossen. Sinkt die Spannung hinter dem Filter nun auf unter ca. -0,7V, liegen zwischen Basis (Masse) und Emitter (ca. -0,7V) ca. 0,7V Gleichspannung, der Transistor schaltet durch und entlädt wieder den Ladeelko der Verzögerungsschaltung.

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